Bad Orb im Spessart

Bad Orb entdecken

Wenn man großzügig ist, kann man sagen: Bad Orb liegt im Spessart. Es wäre dann die einzige Stadt, die im Spessart liegt. Alle anderen liegen am Rande. Was hat Bad Orb seinen Besuchern sonst noch zu bieten?

  • einen schönen Kurpark mit einem noch in Betrieb befindlichen Gradierwerk
  • eine großzügige und optisch interessante Therme
  • eine hübsche Altstadt mit überdurchschnittlich vielen kleinen Geschäften und Gaststätten
  • die Pfarrkirche St. Martin, die an Weihnachten 1983 mit sämtlichen Kunstschätzen einem Brand zum Opfer fiel und inzwischen wieder aufgebaut ist
  • einen alten Bahnhof, von dem an Sommerwochenenden eine Museumsbahn fährt.

Bad Orb: der Kurpark

Das bekommt man heute nur noch selten zu sehen: einen aufwändig gepflegten Kurpark.

Gradierwerk Bad Orb

Grundlage für das Badewesen heute bzw die Salzgewinnung früher sind mehrere mäßig gehaltvolle Solequellen. Der Salzgehalt der Sole wurde früher in 10 Gradierwerken konzentriert, bevor dann das Salz gesiedet wurde. Der Holzverbrauch war immens. Heute ist noch eines dieser beeindruckenden Bauwerke im Kurpark erhalten und in Funktion. Es erzeugt im Inneren und der unmittelbaren Umgebung ein Klima wie an der Nordsee: feuchte, kühle, salzhaltige Luft. Atemwegserkrankungen kann man hier kurieren. Das letzte Bild zeigt einen Gradierstein. Er entstand aus Ton, Kalk und Gips, die in der Sole enthalten sind und sich bei der Verdunstung ablagern.

Toskana-Therme Bad Orb

Am Rand des Kurparkes liege die Toskana-Therme, eine Badelandschaft mit mehreren Schwimmbecken und Wellnesbereich. Selbstverständlich kann man auch in der heilkräftigen (?) Sole schwimmen.

Die Bad Orber Altstadt

Bad Orb ist heute eine gepflegte Kleinstadt mit knapp 10 000 Einwohnern. Durch den Tourismus und Kurbetrieb haben sich noch etwas mehr Geschäfte und Gaststätten gehalten als sonst in derartigen Orten üblich. Es ist zu hoffen, dass das nach Corona auch noch so ist.

Neben dem größten Gradierwerk Hessens hat Bad Orb noch einen weiteren Rekord zu bieten: das schmalste Fachwerkhaus in Hessen.

Pfarrkirche St. Martin

Der alte Bahnhof von Bad Orb

Im Bereich des Bahnhofes gibt es heute Gleise mit Normalspur und solche mit Schmalspur. Der Hintergrund ist folgender: Ursprünglich gab es eine Nebenbahn von Wächtersbach nach Bad Orb. Diese wurde 1995 eingestellt. Die Gleise wurden dann auf Schmalspur ummontiert. Heute fährt in den Sommermonaten an Sonn- und Feiertagen eine Museumsbahn zwischen Wächtersbach und Bad Orb.

Bayernweite Spendenaktion für das verarmte Orb im Jahr 1836

1806 wurde das große Gradierwerk (oben) gebaut. Da war die Salzgewinnung in Orb noch ein blühendes Gewerbe. Orb gehörte damals zum Kurfürstentum Mainz. Für dieses Territorium hatte Orb das Salzmonopol. Nur Orber Salz durfte verkauft werden. Die wirtschaftliche Lage von Orb war damals hervorragend. Bis zu 2000 t Salz wurden pro Jahr gewonnenl Diese änderte sich einige Jahre später grundlegend: Orb kam 1814 zum Königreich Bayern. Und dort gab es schon einen anderen Salzlieferanten, nämlich das Salzbergwerk von Reichenhall. Das konnte wesentlich billiger produzieren als die Salzsieder von Orb, die für ihre Produktion Unmengen von Holz benötigten.

Für Orb, das sich komplett auf die Salzgewinnung spezialisiert hatte, entfiel die wirtschaftliche Grundlage. Orb verarmte und wurde zu einem der elendesten Orte im Königreich Bayern. So elend, dass sich die Bayerische Regierung im Jahr 1836 genötigt sah, in ganz Bayern einen Spendenaufruf für Orb zu starten. In diesem wurden die Zustände in Orb folgendermaßen beschrieben:

Die Stadt Orb zählt eine Bevölke­rung von 4383 Seelen und 820 Fami­lien. Mehr als die Hälfte dieser Bevöl­kerung befindet sich ohne zureichen­de Subsistenzmittel, und wollte eine Conscription der Armen vorgenom­men werden, so würde sich die Zahl der ganz oder theilweise Erwerbslo­sen über dreitausend belaufen….

Der größteTheil der Häuser besteht in kleinen, äußerlich wie innerlich von Rauch und Ruß überzogenen Lehm­hütten, in welchen Dunkelheit fast alle Räume erfüllt, und wo es den Bewohnern an der allernothdürftigsten Einrichtung mangelt. Stroh oder Heu bedecken die Lagerstätten, und der Kranke liegt neben dem Gesun­den ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter, jeder mit wenigen Lumpen zugedeckt. Manche Familien ruhen in Ermanglung an Lagerstätten auf dem feuchten Lehmboden.

Ueber den ersten Stock dieser Jam­merhütten erhebt sich meistens noch ein zweiter und dritter, mit zuneh­mender Verengung der Räume mit Treppen verbunden, welche von den Ungeübten ohne Gefahr nicht bestiegen werden. Auch versehen nicht sel­ten Leitern die Stelle der Treppen. Dicker Qualm und Gestank, welche die Wohnungen erfüllen, machen es unmöglich, längere Zeit in diesen Hütten des tiefsten menschlichen Elends zu verweilen.

Die Räume des Jammers werden von eben so jammervollen Gestalten be­wohnt, schwarzgelb, hohläugig, ab­gezehrt, der Körper kaum mit Lum­pen bedeckt. Diejenigen gehören nicht unter die Allerärmsten, welche nackt schlafen, weil das einzige Hemd, welches sie benutzen, (mei­stens aus altem Salzsacktuch gefer­tigt) in der Nacht gewaschen und ge­trocknet wird. Viele gehen selbst bei Tag ohne Hemd herum, und sind nur mit einigen zerrissenen Kleidungs­stücken bedeckt. Viele Andere sind während des größten Theils des Jah­res wegen Mangels an Kleidern am Besuche der Kirche gehindert.

Mit der Wohnung der Orber steht die Nahrung im Einklange. Sie fristen ihr Leben lediglich mit Kartoffeln, zu wel­chen ihnen aber meistens das noth-wendige Salz mangelt. Zugaben zu den Kartoffeln bildet etwas Geissmilch, oder saure Milch und rohes Sauerkraut. Glücklich, wer in Feld oder Garten etwas grünes Gemüse erhascht, und dazu statt des Fettes die Ueberbleibsel eines Unschlittlichtes (=Talglichtes) verwendet. Es sterben viele alte Leute, welche nie vom Metzger Fleisch genossen haben, aber sie preisen sich glücklich, wenn es ihnen gelingt, sich einen fetten Hund oder eine fette Katze zu verschaffen.

Die fortwährende Sorge der Staaths-Regierung ist dahin gerichtet, in Orb Quellen des Erwerbs zu eröffnen. Aber da, wo die Fürsorge der Staats­regierung ihre natürliche Grenze findet, übernimmt es die christliche Mildthätigkeit, den Jammer und das Elend zu lindern.

Zitiert nach Alois Stadtmüller, „Wenn von Armut die Rede war, sah es aus wie 1836 in Orb“, in Spessart, 1/1989, Seite 4.

Im Jahr 1837, also ein Jahr nach dem Spendenaufruf, gründete der Apotheker Franz Leopold Koch die erste Solbadeanstalt mit acht Badekabinetten. Der Kurbetrieb kam aber nur schleppend in Gang. Die oben zitierte Beschreibung der Orber Zustände förderte nicht gerade den Wunsch, dorthin zu reisen und Heilung zu suchen. Aber immerhin: Seit 1909 ist Orb staatlich anerkanntes Heilbad und darf sich Bad Orb nennen.